Teil 1
Auszug aus: »Kampfkunst International«, Veröffentlichung: Juli 2001 |
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In letzter Zeit macht in der Kampfkunstszene ein junger Verband, die WingTschun Rifo Organisation, immer mehr auf sich aufmerksam. Es ist daher an der Zeit, dass Kampfkunst den Cheftrainer dieses aufstrebenden Verbandes, Sifu Jimmy Jemirifo der Öffentlichkeit näher bringt. | |
KK: „Sifu Jimmy Jemirifo, worin besteht für Sie ein guter Sifu/Meister einer Kampfkunst? Was macht sein Wesen aus?“ SJJ: „Das Wort `Meister´ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass jemand seine Kampfkunst erlernt hat und beherrscht. Er ist ein Meister seines Stils oder Systems. Der Sinn des Wortes ´Sifu` bedeutet hingegen soviel wie ´Vaterlehrer`. Diese Bezeichnung sagt schon viel aus. Zunächst einmal sollten wir alle der Tatsache ins Auge sehen, dass man zuerst als Mensch, und nicht als Sifu geboren wird. Danach gilt es, danach zu streben, ein guter Mensch zu werden. Viel später, nach einem langen Weg des Ringens gegen sich selbst wird man zum Sifu oder Meister. Daher ist die Menschlichkeit höher zu stellen, als der Sifu – oder Meistertitel. Irgendein Sifu oder Meister muss noch lange kein guter Mensch sein. Meiner Auffassung nach darf nur ein human ausgeprägter Mensch nach dem Erlernen seiner Techniken und nachdem er bewiesen hat, dass er seinen Schülern ein echter Vaterlehrer ist, davon sprechen, ein guter Sifu/Meister zu sein. Stattdessen möchte ich hier lieber erklären, was ein guter Sifu nicht ist: Ein Mensch, der Freude daran findet mit seiner Kampferfahrung seine Schüler zu verhauen. Das verhält sich genau so, als wenn ein Erwachsener einem Kleinkind seinen Lutscher wegnähme. Ein Mensch, der sein Ego über seine Schüler stellt, denn entweder stärkt man sein Ego oder seine Schüler. Ein Mensch, der keinen anderen Sifu/Meister neben sich erträgt. Ein Mensch, der Macht und Geld höher bewertet als das Fortschreiten seiner Schüler. Demnach möchte ich es Ihnen und dem Leser überlassen, zu entscheiden was einen guten Meister oder Sifu auszeichnet. |
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Die Wege des Jimmy Jemirifo begannen in seinem Geburtsland Nigeria. Im Jahre 1956 wurde er in der Nähe von Lagos geboren. Im Alter von sieben Jahren kam er mit seinem Vater und zwei Brüdern nach London. Als englischer Staatsbürger ging er zum Militär und versah dort seinen Dienst als medizinischer Assistent. Die Ausstrahlungskraft und Intelligenz dieses Mannes führen zu jener Gabe, die nur wenigen Mitmenschen gegeben ist, dem Phänomen, von jedermann gemocht zu werden. Nicht nur diese Voraussetzungen profilieren seine Führungseigenschaften. Sein Motto: „Jeder Mensch ist zu respektieren, egal wer und was er ist!“ Diese Denkweise lebt er und lässt sie jeden spüren. Sifu Jimmy Jemirifo, Ehemann und Familienvater dreier Kinder ist offen und ein Meister zum Anfassen. Ein Sifu, der für die Probleme seiner Schüler jederzeit ein aufmerksames Ohr und notfalls eine helfende Hand hat. Damit der interessierte Leser ein Bild von Meister Sifu Jimmy Jemirifo, seiner Denkweise und der Philosophie des WingTschun Rifo gewinnt, führte "Kampfkunst" folgendes Interview mit dem Cheftrainer der WTRO: KK: „Sehr geehrter Sifu Jimmy Jemirifo. Mit Interesse verfolgen unsere Leser die stetige Entwicklung Ihrer jungen Organisation. Wir freuen uns daher, Ihnen persönlich einige Fragen stellen zu können, die für unsere Leser von großem Interesse sind.“ Sifu Jimmy Jemirifo (SJJ): „It`s my pleasure. Ich hoffe, dass Ihre Leser das eine oder andere mitnehmen können!“ |
Teil 2
KK: „Von vielen Ihrer Schüler und Schulleiter ist öfters zu hören, dass sich Ihre Kampfkunst durch einige Besonderheiten auszeichnet. Was ist das Besondere an WT Rifo und was vertreten Sie für eine Philosophie?“ SJJ: Sie haben recht. Auch unsere WingTschun Rifo Organisation beruht auf einem Familiensystem. Aber – ich möchte sozusagen zurück zu den „Quellen“, zur Wahrheit. Neben dem Erlernen unseres wunderbaren WingTschun – Systems geht es mir darum, meinen Schülern zu zeigen, worauf es im Leben ankommt. Der WT Rifo-Schüler soll wissen, dass die WingTschun Schule und sein Sifu nicht irgendeine Institution sind, wo ich lediglich lerne zu kämpfen. – Es gibt mehr! Wenn ein WT Rifo-Schüler beim Training ist, so befindet er sich an einem Ort, an dem er die täglichen Probleme hinter sich lassen kann. Die WingTschun Rifo Organisation ist nicht irgendein steriler, lebloser Verband, sondern eine Gemeinschaft von Menschen unterschiedlichster Art und Herkunft, unter denen viel Respekt und Toleranz dem anderen gegenüber gelebt wird. KK: „Wie denken Sie über das Kämpfen im Allgemeinen?“ SJJ: „Wir leben im Jahr 2001. Es darf nicht sein, dass wir weiterhin in einer mittelalterlichen Denkweise verharren und so tun, als wäre das „Fighten“ der tiefere Sinn des Lebens. Das wäre zu billig. Sogar eine Katze, die von einem Hund in die Ecke gedrängt worden ist, wird kämpfen. Jeder, der die Effektivität des WingTschun kennen – und liebengelernt hat, wird auch – seinem Naturell und Können nach – entsprechend kämpfen können. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Auch ich kann Kämpfen. Aber am schlimmsten wäre es doch, wenn wir wie Psychopathen oder Killer ein Kampfsystem erlernen wollen, nur um „kloppen“ zu können. |
Der Anspruch, den die Kampfkunst WingTschun erhebt steht dem genau entgegen. Mein Ziel ist es – und das gilt für alle Lebensbereiche – einen Kampf zu gewinnen, ohne kämpfen zu müssen. Dies lehrt uns auch die Kunst und Philosophie des WingTschun. Sie steht für mich deshalb im Vordergrund. |
Teil 3
KK: „Da wir in Ihnen einen kompetenten Gesprächspartner vor uns haben möchten wir die Chance nutzen, Ihnen eine immer wieder aufkommende Frage zu stellen. Gibt es im WingTschun Geheimtechniken?“ SJJ: Geheimtechniken, hm, das ist eine gute Frage. Wissen Sie: Es wird überall nur mit Wasser gekocht. Dennoch versuchen immer wieder viele zu sagen, sie hätten das Rad neu erfunden. Vielleicht kann ich Ihnen besser antworten, indem ich folgendes Bild beschreibe. Ein Grundschüler, der sich im ersten Schuljahr gerade begeistert damit beschäftigt, das kleine Einmaleins zu erlernen, schaut eines Tages einem Professor zu, der soeben im Begriff ist, eine Integralrechnung, oder gar die Einstein`sche Relativitätstheorie an die Tafel zu "zaubern“. Glauben Sie nicht, dass dies eine nahezu vernichtende Wirkung auf den armen Grundschüler hat? – Trifft dieses Beispiel nicht ebenso auf einen Neuling der Kampfkünste und seinen Meister zu? Logisch ist doch, dass wir beim Erklimmen einer Leiter immer zuerst mit der untersten Sprosse beginnen und dann Stufe für Stufe erklimmen müssen. Haben wir das Top der Leiter erreicht und schauen zurück, sind wir selbst verwundert, was für eine Wegstrecke von uns bereits zurückgelegt worden ist. Sie können sich also vorstellen, wie einem Anfänger zumute ist, der dabei ist, eine Kampfkunst zu erlernen und nun einen Meister der Kampfkunst in Aktion sieht. Der Neuling ist euphorisch und nur allzu leicht der Versuchung erlegen, anzunehmen, hier handele es sich um mystische Vorgänge.“ |
KK: „Sagen Sie, Sifu Jimmy Jemirifo, wie können Sie uns die diversen Schreibweisen des WingTschun erklären? Stehen diese auch jeweils für verschiedene Kampfstile?“ |
Teil 4
KK: „Sehr geehrter Sifu. Zum Schluss brennt uns noch eine Frage unter den Nägeln. Hinter den Leitworten „Hart – Weich – Toleranz“ scheint sich eine besondere Philosophie zu verbergen. Was wollen Sie hiermit zum Ausdruck bringen?“ SJJ: „Sie haben vielleicht schon dieses Zitat gehört, welches in einem sehr alten Buch geschrieben steht: Es gibt im Leben immer eine Zeit des Lachens und des Weinens, eine Zeit zu leben und eine Zeit zu sterben usw. Es gibt in unserem WT Rifo die Begriffe hart, weich und Toleranz. Sowohl in der Kampfkunst wie auch im täglichen Leben gibt es Zeitabschnitte, in denen wir nicht nachgeben können und hart bleiben müssen und es gibt Augenblicke in welchen wir gut beraten sind, weich zu sein. Im WingTschun geht es um die hohe Kunst, unsere jeweilige Lebenslage zu erkennen und zu wissen, ob wir hart oder weich sein müssen. Nur zu oft erkennen wir nicht schnell genug welche Reaktion jetzt gerade richtig ist. Die Lösung dafür ist so genial wie einfach: Sowohl „hart“ als auch „weich“ sind jeweils ein Teil des anderen und gleichzeitig ergänzen sie einander. Beide aber können nicht leben ohne das Bindeglied, welches sie zusammenhält: - Die Toleranz. Die Toleranz ist das wichtigste. Betrachten wir das Schriftzeichen für Toleranz, so erkennen wir im oberen Teil des Zeichens XX einen Dolch. Dies ist das Symbol für ein „Messer“. Darunter sehen wir den chinesischen Schriftzug für „Herz“. Speziell in unserem WT Rifo-Denken erklären wir unseren Schülern: Es ist schon nahezu zur gesellschaftlichen Norm geworden, dass der Mensch durch offensichtliche Intoleranz versucht das Herz (eines Anderen) zu zerstören. Was er aber nicht weiß ist, dass gerade er durch seine Intoleranz sich den Dolch direkt in das eigene Herz stößt und damit nur sein eigenes Leben vernichtet, was er doch eigentlich bei dem anderen erreichen wollte. |
KK: „Wollen Sie diesen Begriff der Intoleranz ausschließlich auf den Rassismus bezogen wissen?“ SJJ: „Nein, bloß nicht! Gerade innerhalb der Rassen ist das intolerante Verhalten unabhängig von Farbe, Herkunft oder Nationalität ein zutiefst zwischenmenschliches Problem. Und dieses Verhalten grassiert gerade in Bereichen wie Partnerschaft, Familie und Arbeitsplatz (mobbing). In nahezu allen Sparten kann ich immer einen Grund finden, intolerant zu sein. Sei es, dass ich keine Brillenträger mag, ob ich keine Dicken oder Dünnen ausstehen kann, oder dass ich keine Menschen mit dunkler Hautfarbe oder hellen Haaren ertragen kann. Was immer es auch sei: Sowohl im Umgang mit dem Anderen als auch mit uns selbst wären wir in der Lage, die Welt und unsere Kampfkunst ein ganzes Stück weit zu verbessern. KK: „Herzlichen Dank Sifu Jimmy Jemirifo. Sie haben uns einen interessanten Einblick in Ihre WingTschun Rifo Kampfkunst und Philosophie gegeben. Wir wünschen Ihnen weiterhin alles Gute.“ SJJ: “You `re welcome.“ |